Impuls für den Alltag -  „Erinnerungsstück"

"Wenn du nicht querschnittsgelähmt sein willst, hast du nur zwei Möglichkeiten: Entweder du lässt dich operieren, oder du trägst ab sofort ein Korsett.“ Kristin ist erst 14 Jahre alt, als sie diese Diagnose bekommt. Vier lange Jahre muss sie nun das Korsett tragen.

Es ist eine Tortur aus Metall und Plastik. Die gesamte Wirbelsäule ist eingespannt zwischen verschiedenen Polstern, so dass Kristin sich kaum mehr rühren kann. Im Schulbus muss sie stehen, auf normalen Stühlen kann sie nicht sitzen. In der Schule bekommt sie einen höhenverstellbaren Ext-ratisch. Am schlimmsten sind die Nächte. Kristin muss stocksteif daliegen, sie kann sich nicht umdrehen. Manchmal kommt sie sich vor wie ein Roboter, so eckig in den Bewegungen. Wie ein eingesperrter Vogel in einem Käfig. 

Nach zwei Jahren ist ihre Wirbelsäule deutlich gerader geworden, sie darf das Korsett jetzt stundenweise ablegen. Anfangs tut ihr alles weh, ihre Muskeln sind total erschlafft. Aber nach und nach wird ihr Rücken stärker, sie kann den Körper drehen und beugen, einatmen, springen, sich frei bewegen - endlich! Arme, Beine - jedes Körperteil freut sich an der Bewegung und die Haut atmet Freiheit. 

Lange Zeit bewahrt sie ihr Korsett im Keller auf. Als Erinnerungsstück: Gott sei Dank ist das vorbei!

"Steh auf, nimm dein Bett und geh heim!“ sagt Jesus einmal zu einem Gelähmten. „Warum soll er sein Bett mitnehmen?“, frage ich mich.

Das Korsett im Keller, die Krücke in der Ecke, die Armschlinge im Regal – Sie erinnern uns, welche Täler wir durchschritten haben. Und vielleicht fallen uns sogar noch die Engel ein, die uns dabei begleitet haben, ob es die Physiotherapeutin war oder der Ehepartner, die Kinder oder die Ärztin, die uns Mut gemacht hat.

Eigentlich braucht man diese Hilfsmittel jetzt nicht mehr, aber wenn wir sie ab und an wiedersehen, dann freuen wir uns, dass wir jetzt - Gott sei Dank - wieder befreit leben können. 

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